Jürgen Zipf

Winzer, Weine, Originale

Für das knitze Strichmännles-Logo von „Junges Schwaben“ könnte Jürgen Zipf Modell gestanden sein (was er aber heftig bestreitet…). Genauso steil wie seine Frisur sind auch die Weinberge in Löwenstein mit ihrer Höhenlage und der Hang, in den der Tüftler sehr geschickt seine Kellerei hinein gebaut hat. Obendrauf, wie ein Adlernest, eine Heimstatt in Aussichtslage, die Zipf mit Ehefrau Tanja und den beiden Kindern Lukas und Inka bewohnt.

„Bergfrische“ hat ein bekannter Journalist den Zipfschen Weinen einmal attestiert, und das trifft’s ziemlich gut. Der Weinbautechniker, Jahrgang 1974, hat aus einem Betrieb, der früher 90 Prozent über die Literflasche vermarktete, seit 2004 Stück für Stück ein Weingut gemacht, das für einen ganz eigenständigen Stil steht. Innerhalb von Junges Schwaben kreiert Zipf jedes Jahr eine Cuvee, meist aus Lemberger, Spätburgunder und Cabernet Cubin, als Signaturwein – sie braucht keinen internationalen Vergleich zu scheuen. 12 Hektar stehen um Löwenstein in luftigen Höhenlagen zwischen 280 und 370 Meter unter Reben, knapp 60 Prozent davon sind für Rotwein reserviert. Jürgen Zipf experimentiert gerne mit den Roten aus Barrique und großem Holzfass, aber er hat auch eine Schwäche für alte Sorten wie den Silvaner. 50 Ar hat er unlängst neu damit angelegt: „Der Wein gehört zu unserer Region und läuft inzwischen richtig gut.“

Beim Ausbau seiner Kreszenzen arbeitet der passionierte Kampfsportler mit viel Geduld. Oft kommen die Rotweine – unfiltriert - erst nach zwei oder drei Jahren in den Verkauf, auch die mineralischen Rieslinge brauchen ihre Zeit. „Unsere Weine sind so eigenwillig wie mein Mann“, sagt Gattin Tanja mit einem Grinsen. Das ist als Kompliment gemeint. Weinmachen versteht Jürgen Zipf als „Handwerk mit viel Fingerspitzengefühl“. Die Zusammenarbeit mit den Freunden von Junges Schwaben hat ihn so manches gelehrt: „Ich gehe heute viel planvoller vor, versuche den Charakter jeder einzelnen Weinbergsparzelle heraus zu arbeiten.“ Auf Lagenangaben und Prädikate verzichtet Zipf trotzdem, stattdessen hat er sein eigenes Qualitätssystem auf Basis von Sternen etabliert. Dass auch die „schwäbische Muttermilch“ ein markanter Wein mit Struktur sein kann, beweist sein Trollinger Steillage, vinifiziert in gebrauchten Barriques.

 
2020 Junges Schwaben Rotwein Cuvée trocken, Weingut Zipf

2020 Junges Schwaben Rotwein
Weingut Zipf

Lage: Löwensteiner Wohlfahrtsberg
Boden: Untere Bunte Mergel, 320 – 370 m ü.N.N.
Vinifikation und Ausbau: Trauben wurden entrappt, ganze Beeren; Kaltmatzeration, Maischegärung, schonende Pressung
Sedimentation, Einlagerung ins Barrique, biologischer Säureabbau, Abstich im Herbst 2021, unfiltriert abgefüllt, 100% neues Holz, Cuvée aus Lemberger, Spätburgunder, Merlot, Cabernet, 24 Monate im Barrique gereift
Alkohol: 13 % Vol.
Restzucker: 1,6 g/l
Säure: 5,8 g/l

Weinbeschreibung: tiefdunkelrot, kirschrot

Dicht und schwer liegt diese Cuvée im Glas und benötigt noch etwas Zeit um sich zu öffnen. Die Reise startet mit vollem Beerenaroma von Holunder, Heidelbeere und Amarena Kirsch mit dunkler Bitterschokolade bekleidet. Nach etwas Zeit verführt er weiter mit weichen Noten von Mokka und geröstetem Kaffee, sowie auch leicht rauchig, speckigen Nuancen. Von Anbeginn erzeugt er eine komplexe Spannung am Gaumen, mit langem Zug und einer fein tänzelnden Säure, die von der Zungenspitze ihren Weg hin zur Zungenseite entlang findet. Am Gaumen dicht und kompakt, dennoch mit viel Eleganz, klarer Frucht, feiner Würzigkeit und Wärme. Reife und gut integrierte Gerbstoffe bringen einen langen Nachhall. Ein großer Wein mit viel Reifepotenzial. Genussempfehlung: Seine vollen Aromen freuen sich über viel Platz in einem großen Glas sowie vorherige Belüftung.

Trinktemperatur: 18°C

Speiseempfehlung: Wildgerichte mit Waldpilzen, Steinpilzrisotto, Camembert mit Honig und Nüssen

Verkostungsnotizen von Evangelos Pattas, Sommelier und Inhaber des Restaurants Délice in Stuttgart sowie "Sommelier des Jahres 2007"